Deutschland einig Einwanderungsland

"Wir riefen Arbeiter, aber es kamen Menschen", sagte Max Frisch über die Gastarbeiter der 1960er Jahre.

Die Ausländer in Deutschland sind Arbeitsmigranten, Asylanten, Aussiedler und Flüchtlinge. Die meisten kommen auf der Suche nach Arbeit, später holen sie ihre Familien. Besonders aus der Türkei kamen viele Menschen.

Jeden Tag kamen mehrere Züge mit hunderten von Italienern am Münchner Hauptbahnhof an. Sie waren die ersten. Seit 1954 zogen insgesamt rund 31 Millionen Menschen - Ausländer und Deutschstämmige - in die Bundesrepublik. Zur Zeit leben hier 7,4 Millionejn Ausländer, das sind etwa 9 Prozent der Bevölkerung. Diejenigen, die mittlerweile einen deutschen Pass besitzen, werden nicht mitgezählt.

Die Zuwanderer kommen aus den unterschiedlichsten Gründen, aber generell unterscheidet man zwischen Arbeitsmigranten, Aussiedlern, Asylanten und Flüchtlingen. Mit 6,1 Millionen bilden die sogenannten "Gastarbeiter" die größte Gruppe. Durch das Wirtschaftswunder in den 1950er und 60er Jahren benötigten westdeutsche Betriebe dringend mehr Arbeitskräfte, daher warb die Regierung in anderen Ländern. Freudig wurden die Ausländer begrüßt und eingestellt. Der millionste Gastarbeiter bekam sogar direkt nach seiner Ankunft am Bahnhof ein Moped und Blumen geschenkt.

Probleme
Aber schon Ende der 1960er Jahre ging es der deutschen Wirtschaft nicht mehr sio gut, eine Menge Stellen fielen weg. Einige Gastarbeiter kehrten nach Hause zurück. Mit dem neuen wirtschaftlichen Aufschwung kamen sie wieder. Doch dann setzte die "Ölkrise" ein, Stimmen gegen die Ausländer meldeten sich: "Sie nehmen uns die Arbeit weg und nutzen unsere Sozialleistungen aus!". Die Regierung verhängte 1973 einen "Anwerbestop": Niemand durfte mehr kommen, und wer zurückfuhr, musste dort bleiben. Dadurch sank die Zahl der Ausländer in den Jahren 1974 - 78. Langfristig gesehen zogen jedoch mehr Menschen in die BRD. Die jungen Männer, die nicht zurück wollten, holten ihre Frauen und Kinder nach. Viele wollten in Deutschland bleiben. Aber es gab bisher keine Überlegungen und Pläne für eine Eingliederung. Eine Auseinandersetzung mit ihrer Lebensweise oder der Religion hielt bis dahin niemand in Deutschland für nötig. Zaghaft entwickelten sich erstmals in der zweiten Hälfte der 1970er eine Politik der Konsolidierung und Versuche der Integration.

Die 1980er und 90er Jahre
Seit Ende der 70er Jahre kamen - vertrieben durch Krieg, Elend und Unterdrückung - immer mehr Asylsuchende in die BRD. Durch die wachsende Anzahl der Ausländer und geringeres wirtschaftliches Wachstum äußerten viele Deutsche Vorbehalte gegen Zuwanderer. Die Politiker reagierten darauf mit einer Wende in der Ausländerpolitik: Anstatt Eingliederung galt jetzt Abschiebung. Eine Folge davon war das Rückkehrförderungsgesetz von 1983: Gastarbeiterfamilien sollten etwa 10.000 Mark erhalten, in ihre Heimat ziehen und nie wiederkommen. Das war aber nicht so einfach. In den meisten Heimatländern gab es keine Hilfen für Menschen, die sich dort wieder niederlassen wollten. Und das Geld vom deutschen Staat reichte meist nur für den Umzug und den Zoll. Obwohl die meisten Familien daher hier blieben, bewirkte das Angebot einen Rückgang der Ausländeranzahl.

Menschen aus Ostmitteleuropa
Zwischen 1988 und 1993 überschritten die Zuwanderungen die Spitzenwerte der Jahre 1969 und 1970. Wegen der unruhigen Lage in Ostmitteleuropa kamen 7,3 Millionen Aussiedler, Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge und neue Arbeitsmigranten. Zuzüge dieses Ausmaßes meldeten im gleichen Zeitraum nur die USA. Viele interpretierten die Entwicklung als den Beginn einer neuen Völkerwanderung. Der Strom geriet jedoch 1993 ins Stocken, denn ab Mitte des Jahres trat ein restriktives Asylrecht in Kraft. Außerdem bewarben sich generell nicht mehr so viele Menschen um die Einwanderung.

Nach dem Ende des Kriegs im ehemaligen Jugoslawien bemühten sich viele Deutsche, den Bürgerkriegsflüchtlingen zu helfen, eine neue Existenz in der alten Heimat zu gründen. Man sorgte sich um den Hausbau, Strom und Wasser, so dass 1997 und 1998 ein Großteil von ihnen zurückzog.

Mit der im Jahre 2000 eingeführten "Green Card" für Arbeitskräfte im Bereich der Informationstechnologie kündigt sich ein grundlegender Wandel im politischen Umgang mit Arbeitsmigranten an: Einerseits wird so der seit 1973 geltende Anwerbestopp deutlich relativiert, andererseits bekennt die Bundesregierung zum ersten Mal, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.

Die Arbeitsmigranten
Die Arbeitsmigranten und ihre Familien stellen mit 6,1 Millionen bei weitem die größte Gruppe der Ausländer in Deutschland. In den Jahren 1955 - 73 schloss die Bundesregierung als "Anwerbeverträge" bezeichnete Abkommen mit einigen Mittelmeerstaaten wie Italien, der Türkei oder Spanien. Besonders viele Zuwanderer kamen aus der Türkei, auch viele Asylbewerber, so z.B. durch den Militärputsch 1980.

Ursprünglich sollten die ausländischen Arbeitnehmer nur ein paar Jahre in Deutschland bleiben und dann in ihre Heimat zurückkehren. Es kam jedoch ganz anders. Für die Mehrzahl dieser Familien ist Deutschland und nicht ihr Herkunftsland der Lebensmittelpunkt. Das zeigt sich beispielsweise durch die lange Aufenthaltsdauer der meisten Familien (rund 49 Prozent leben seit über 10 Jahren hier). Die Kinder sind in der BRD geboren. Viele haben kleinere selbständige Unternehmen gegründet oder andersweitig finanziell in der BRD investiert, z.B. durch Immobilienkäufe. Außerdem planen sie ihre Zunkunft hier.

Literatur:
Statistisches Bundesamt: Datenreport 1999. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland,
Aktualisierte Ausgabe, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2001.

Begriffserläuterungen:
Gastarbeiter-Begriff
In den sechziger Jahren hat sich in der Umgangssprache der Begriff "Gastarbeiter" eingebürgert. Er geht davon aus, dass angeworbene Arbeitskräfte wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren. Die Amtssprache verwendete von Anbeginn "ausländische Arbeitnehmer" bzw. "Ausländer". Als in den siebziger Jahren zunehmend deutlich wurde, dass immer mehr Arbeitskräfte langfristig bleiben, setzte sich überwiegend die Bezeichnung "Ausländer" durch.

Viele Sozialwissenschaftler finden den Begriff "Ausländer" nicht adäquat und nutzen die Bezeichnung "ethnische Minderheiten". Sie verdeutlicht, dass es sich um Bevölkerungsgruppen handelt, die zahlenmäßig in der Minderheit und in sich vielfältig differenziert sind. Außerdem haben sie keine deutsche Abstammung und Herkunft.

Anwerbeverträge
Um ihren Arbeitskräftebedarf zu decken, warb die Wirtschaft Menschen aus den Mittelmeerländern an und schloss entsprechednde Abkommen mit Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968). Zu den Hintergründen der Anwerbemaßnahmen gehört auch der "Mauerbau" im Jahre 1961, der den Zuzug von Arbeitskräften aus der DDR stoppte. Deutschland, die Entsendeländer und nicht zuletzt die Betroffenen selbst gingen anfangs vom Rotationsprinzip aus: Die angeworbenen Arbeitnehmer(innen) sollten nach einigen Jahren in ihre Heimatländer zurückkehren und - bei Bedarf der deutschen Wirtschaft - durch neue "Gastarbeiter" ersetzt werden.

Autor:   Wolf Zimmer E-Mail: wolf@wozim.de Homepage: http://www.wozim.de